L. Szondi


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Meine Damen;und Herren

25 Jahre Szondi Institutet.(1970 - 1995)

Eroeffnungsansprache von Leopold Szondi.

gehalten am 14. November 1970.

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Meine Damen und Herren

Meine Aufgabe besteht darin, Ihnen die zwei Begriffe, die im Namen des Institutes figurieren, naemlich "Schicksal" und Allgemeine Tiefenpsychologie», kurz zu erlaeutern.

Was verstehen wir unter Schicksal bzw. Schicksalspsychologie und Schicksalsanalyse?

Der Begriff «Schicksal» ist fuer uns kein magisch-okkulter, sondern ein rein medizinisch-psychologischer. Schicksal bedeutet hier: die Ganzheit. aller ererbter und frei waehlbarer Existenzmoeglichkeiten des Einzelnen.

Die Psychologie, die durch reale Methoden - wie zum Beispiel durch die schicksalsanalytische Genetik und die experimentelle Triebdiagnostik

(= Szondi-Test) diese Existenzmoeglichkeiten aufzudecken versucht, nennen wir Schicksalspsychologie.

Die spezielle Therapie, welche auf dem Wege einer analytischen Behandlung die Wahl des Einzelnen unter den moeglichen und besseren Existenzformen foerdert, traegt den Namen «Schicksalsanalyse». In der Schicksalsanalyse wird also das Individuum, das bisher ein schweres neurotisches oder psychotisches Schicksal getragen hat, mit seinen unbewussten Existenzmoeglichkeiten konfrontiert und vor die freie Wahl eines besseren, persoenlichen Schicksals gestellt.

Die erste Grundthese der Schicksalsanalyse bezieht sich somit auf den Tatbestand, dass der Mensch nicht nur ein einziges Schicksal hat. Nach der zweiten. Grundthese ist -,unter Umstaenden - die Wahl unter den ererbten Existenzmoeglichkeiten frei.

Aufgrund dieser zwei Grundprinzipien versucht nun der Schicksalsanalytiker den Einzelnen auf einen persoenlich guenstigeren und kollektiv sozialeren Schicksalsweg zu fuhren.

lm Jahre 1937 haben wir die Publikationen ueber die Schicksalsanalyse mit

"Analysis of Marriages. - An attempt at a theory of choice in love" begonnen. In den folgenden fuenf Buechern (1944-1963) behandelten wir

1. die Genetik, 11. die Diagnostik, 111. die Pathologie,

IV. die Egologie (Ich-Lehre) und V. die Therapie der verschiedenen Schicksalsstoerungen.

Die Quellen der Schicksalskrankheiten sehen wir in Stoerungen von sechs Systemen. Diese sind

1 - das Erbsystem,

2. das Trieb- und Affektsystem,

3. die soziale Umwelt,

4. die weltanschauliche, mentale Umwelt,

5. das lchsystem und

6. der Weg zur Geistigkeit und zum Geist, das heisst die Glaubensfunktion.

Fuer diese sechs schicksalsbedingenden und schicksalsformenden Systeme und Wege fanden wir medizinische und tiefenpsychologische Methoden, mit Hilfe derer man die Stoerungen der Systeme. und die Verschuettung der Wege zur Geistigkeit aufzudecken und -. unter Umstaenden - auch zu beseitigen vermag.

Die ausschlaggebende Annahme, die uns bei der Wahl der Methoden fuehrte, war die erblich angelegte Gegensatznatur, das heisst die Doppelnatur aller schicksalsbedingenden Faktoren.

Das wir sagen: Wir nehmen an, dass unsere Tugenden nicht sublimierte Lasterhaftigkeiten sind, wie das von der Freudschen Psychoanalyse angenommen wurde. Unserer Annahme nach sind alle Trieb-, Affekt-, Ich- und Kontakt I Funktionen erblich doppelt, das heisst in zwei Richtungen angelegt. Und zwar in eine krankhafte (negative) und eine soziale bzw. geistige (positive) Richtung. Die Wahl der einen oder anderen Richtung ist aber nur teilweise durch die Quantitaet des Erbes bedingt; im Wesen ist die Wahl des Einzelnen frei.

Wo die freie Wahl des Einzelnen gestoert wurde, dort sollte man die Schicksalsanalyse zu Hilfe rufen.

Diese Moeglichkeit einer Verbesserung bzw. Heilung eines «boesen Schicksals» oder eines «boesen Triebes» ist aber nicht neu. In Martin Bubers Werk "Die chassidischen Buecher", erschienen im Schocken Verlag, Berlin, lesen wir die folgenden Worte des Rabbi Nachmanns von Bratzlaw:

«Man kann Gott mit dem boesen Trieb dienen, wenn man sein Entbrennen und seine begehrende Glut zu Gott lenkt. Und ohne boesen Trieb ist kein vollkommener Dienst.»

Eine andere Variation sagt: «Du sollest den boesen Trieb nicht ertoeten, sondern mit ihm Gott dienen.» - Und: «Fuer des Menschen Aufstieg ist keine Grenze, und jedem ist das Hoechste offen. Hier waltet allein deine Wahl.»

Meine Damen und Herren, die boesen Triebe des Menschen kann man nicht ausmerzen; die sind im Erbgut des Menschen fest verankert. Man kann sie aber so weit zur Umdrehung zwingen, dass ihr sozialpositiver Gegensatzpartner zur Manifestation kommt. Darin besteht die praktische schicksalsanalytische Zielsetzung dieses Institutes.

Nun kommen wir zur Eroerterung des zweiten Begriffes: Was soll man unter einer «Allgemeinen Tiefenpsychologie» verstehen?

1923 hat Sigmund Freud die besonderen Grundpfeiler seiner psycho-analytischen Theorie wie folgt bezeichnet.

1 . Die Annahme unbewusster seelischer Vorgaenge,

2. die Anerkennung der Lehre vom Widerstand und von der Verdraengung,

3. die Einschaetzung der Sexualitaet und des OEdipuskomplexes.

Nur wer diese «psychoanalytische Trias» gutzuheissen vermag, sollte sich - so behauptet Freud - zu den Psychoanalytikern zaehlen. Spaeter proklamierte er aber selber die Psychoanalyse «als die Lehre von den tieferen, seelischen Vorgaengen» als Tiefenpsychologie. So wurde die Tiefenpsychologie allmaehlich zu einer breiten «Wissenschaft vom seelisch Unbewussten».

lm Jahre 1911 hat sich Alfred Adler, 1913 C. G. Jung von Freud getrennt. So entstanden die ersten drei Richtungen: 1. die Psychoanalyse Freuds, 2. die lndividualpsychologie Adlers und 3. die analytische oder komplexe Psychologie C. G. Jungs. Im Laufe der Zeit kamen noch dazu: 4. die Neoanalyse von Schultz-Hencke, 5. die Daseinsahalyse Ludwig Binswangers, 6. unsere Schicksalsanalyse,

7. die religioesa Kurzpsychotherapie A. Maeders und noch weitere Richtungen.

Wir glauben nicht zu uebertreiben, wenn wir feststellen, dass es heute keine allgemeine Tiefenpsychologie als ganzheitliche Disziplin gibt, sondern nur eine Reihe von verschiedenen Richtungen - als Teile eines Ganzen die alle glauben, dass sie und nur sie die Tiefenpsychologie repraesentieren.

Das Institut macht nun den Versuch, diese verschiedenen Richtungen in eine «Allgemeine Tiefenpsychologie» zu integrieren. Diese Integration soll aber nicht durch Verschmelzung, das heisst Legierung oder Amalgamierung der verschiedenen Richtungen geschehen. Wir plaedieren fuer die Integration durch Ergaenzung, durch Komplementierung. Denn nur eine komplementaere Integration ist imstande, alle Teilrichtungen in ihrer urspruenglichen Natur und Wirkung zu respektieren, zu analysieren und dabei doch die Gegensaetze der Aspekte auf einer hoeheren, allgemeineren Ebene zu ueberbruecken. Darum waehlten wir als Signet des Institutes die Bruecke,. und darum werden die einzelnen Richtungen durch ihre eigenen Fachpsychologen doziert.

Meine Damen und Herren, ich schliesse meine Eroeffnungsansprache mit den gleichen Worten, mit denen ich 1963 die fuenf Buecher der Schicksalsanalyse geschlossen haben. Jeder aufrichtige Forscher gibt zu, wie muehsam-langsam und Schrittweise man der Natur ein Geheimnis abbetteln Muss. Und hat die Natur endlich einmal etwas von ihren Geheimnissen hergegeben, so erwartet den Forscher eine fast noch schwierigere Aufgabe, naemlich das Aufgedeckte von den Wissenschaftern der Gegenwart als Wirklichkeit annehmen zu lassen. Bezueglich der breiteren Annahme der Schicksalsanalyse und der integrierten Tiefenpsychologie in der Gegenwart machen wir uns keine Illusionen. Von der Gegenwart erwarten wir weder eine Loesung noch einen Kompromiss bezueglich der allgemeinen Annahme.

Wir ziehen keine Folgerungen und stellen den anderen Richtungen keine Forderungen. Wir muessen das wissenschaftliche Werden sowohl einer integrierten Tiefenpsychologie wie auch der Schicksalsanalyse ruhig abwarten. Dies um so mehr, als das Schicksal - wie die integrierte Tiefenpsychologie - an sich ein Werden bedeutet, ein Werden, wie es von Luther formuliert wurde:

Dies Leben ist nicht ein Frommsein, sondern ein Frommwerden,

nicht ein Gesundsein, sondern ein Gesundwerden,

ueberhaupt nicht ein Wesen, sondern ein Werden,

nicht eine Ruhe, sondern eine UEbung.

Wir sind's noch nicht, wir werden#s aber.

Es ist noch nicht getan und geschehen, es ist aber im Schwang.

Es ist nicht das Ende, es ist aber der Weg.

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S z o n d i - l n s t i t u t, Kraehbuehlstrasse 30. 8044 Zoerich

 

c 1996-2000 Leo Berlips, JP Berlips & Jens Berlips, Slavick Shibayev